Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Stress
Stress
04.01.2011 - Gesundheit
Was Stress in der Schwangerschaft anrichtet
Statistik zeigt: Belastende Lebensumstände
können zu einer Plazenta-Vergrößerung führen
Bei Schwangeren vergrößert sich die Plazenta,
wenn sie Stress ausgesetzt sind. Diesen Zusammenhang hat ein
internationales Forscherteam bei einer Auswertung der Daten
von über 75.000 schwangeren Frauen entdeckt. Daraus lasse
sich das Fazit ziehen, dass die Versorgung des Fötus
im Mutterleib durch Stress beeinflusst werden kann, sagen
die Forscher um Marion Tegethoff von der Universität
Basel. Allerdings ist bisher noch unklar, ob und wie sich
eine größere Plazenta auf die Gesundheit der Ungeborenen
auswirkt.
Die Plazenta ist als sogenannter Mutterkuchen
die wesentliche Verbindungsstelle zwischen Mutter und ungeborenem
Kind und stellt die Versorgung des Fötus mit Nährstoffen
und Sauerstoff sicher. Bereits aus früheren Untersuchungen
war bekannt, dass Rauchen und die Ernährung die Größe
der Plazenta verändern können. Andere Studien weisen
zudem darauf hin, dass sich solche Veränderungen der
Plazentagröße sowohl auf die Gesundheit der Mutter
als auch des Kindes negativ auswirken können - wie genau
dieser Einfluss aussieht, ist allerdings noch unklar.
Zusammen mit Wissenschaftlern aus Los
Angeles und dem dänischen Århus untersuchten Tegethoff
und ihr Team nun erstmals, wie sich Stress im Leben der Mutter
auf die Größe der Plazenta auswirkt. Dazu analysierten
sie die Daten einer groß angelegten Studie, der Danish
National Birth Cohort, in die zwischen 1996 und 2002 über
100.000 schwangere Frauen einbezogen worden waren. Tegethoff
und ihr Team interessierte, wie sich zwei Arten von Stress
auf das Gewicht der Plazenta bei der Geburt auswirken: zum
einen negative emotionale Zustände der Mutter wie Angst,
Nervosität oder Reizbarkeit, und zum anderen die Belastung
durch Lebensumstände wie Arbeit, Partnerschaft oder die
finanzielle Situation.
Zwischen der Größe der Plazenta
und emotionalen Belastungen der Mutter während der Schwangerschaft
gibt es keinen Zusammenhang, ergab die statistische Auswertung
der Daten von insgesamt 78.000 Frauen. Dagegen hatten Mütter,
die während der Schwangerschaft über Stress durch
belastende Lebensumstände berichteten, bei der Geburt
des Kindes im Durchschnitt eine größere Plazenta.
Ob die schwerere Plazenta kurz- oder
langfristig die Gesundheit des Kindes beeinträchtigt,
sei bisher allerdings völlig unklar, betonen die Forscher.
Es könne nämlich umgekehrt auch sein, dass die Vergrößerung
den Fötus vor den negativen Auswirkungen von Stress schützt.
"Unsere Ergebnisse bestätigen Funde aus Tierstudien,
die zeigen, dass Stress Auswirkungen auf die Plazenta hat",
schreiben Tegethoff und ihr Team. "Wir wissen jedoch
bisher noch nicht, welche biologischen Prozesse diesen Zusammenhang
steuern." Die aktuelle Untersuchung könnte nun die
Grundlage für weitere Studien sein, die diese Prozesse
im Detail analysieren und der Frage nachgehen, wie sich Veränderungen
der Plazenta auf die Gesundheit von Mutter und Kind auswirken.
Marion Tegethoff (Universität Basel)
et al.: PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0014478
Stress
18.04.2005 - Medizin
Warum Angstgefühle unter Stress stärker
sind als sonst
Ein Stresshormonrezeptor und ein Signalweg
verstärken emotionale Reaktionen im Gehirn
Französische Forscher haben herausgefunden, wie
Stress Angst und negative Gefühle verstärkt: Wenn
Stresshormone im Gehirn an die Oberfläche von Nervenzellen
andocken, schicken diese Zellen molekulare Botschafter los.
Diese Kuriere schalten im Zellkern eine ganze Reihe von Steuergenen
an, die Maßnahmen für den Gefahrfall koordinieren.
So sorgen sie beispielsweise dafür, dass Erinnerungen an
beängstigende Erfahrungen besonders tief im Gedächtnis
verankert werden. Die Folge: In der nächsten emotionalen
Situation sind diese Erinnerungen sofort präsent und verstärken
das Angstgefühl. Stresshormone
wie Corticosteron und Cortisol werden in der Nebennierenrinde
gebildet. Sie haben nicht nur körperliche Auswirkungen,
sondern können auch die Psyche und das Verhalten beeinflussen.
So gelten Veränderungen in der Freisetzung von Stresshormonen
beispielsweise bei stressbedingten Krankheiten wie Depressionen,
Angststörungen und Suchterkrankungen als wichtige Faktoren.
Wie die Hormone jedoch genau im Gehirn wirken, war bislang
unklar.
Um diese Frage zu klären, untersuchten
die Forscher den Einfluss des Stresshormons Corticosteron,
einem Verwandten des Cortisols, sowohl auf Zellen im Labor
als auch auf den Hirnstoffwechsel und das Verhalten genetisch
veränderter Mäuse. Dabei entdeckten sie, dass für
die Hormonwirkung hauptsächlich zwei Faktoren verantwortlich
sind: der so genannte Glucocorticoidrezeptor, ein Eiweißdetektor
für Stresshormone auf der Oberfläche verschiedener
Körperzellen, und der so genannte MAP-Kinase-Signalweg.
Veränderten die Forscher einen dieser
Faktoren, war auch die Reaktion auf die Stresshormone deutlich
verändert. Brachten sie den Mäusen beispielsweise
bei, beim Erklingen eines bestimmten Tons einen schmerzhaften
Stromschlag zu erwarten, wurde die Angst der Tiere durch injizierte
Stresshormone deutlich verstärkt. Blockierten die Wissenschaftler
jedoch gleichzeitig den MAP-Kinase-Signalweg, verloren die
zusätzlichen Stresshormone ihre Wirkung. Einen ähnlichen
Effekt hatte auch die Inaktivierung des Glucocorticoidrezeptors,
schreiben die Forscher.
Die Ergebnisse könnten möglicherweise
dabei helfen, neue Therapien gegen Angstzustände zu entwickeln.
Da außerdem sowohl der Rezeptor als auch der Signalweg
in früheren Studien mit Suchterkrankungen in Verbindung
gebracht wurden, könnten die Befunde auch helfen, den
genauen Mechanismus solcher Abhängigkeiten zu erklären,
schreiben die Forscher.
Jean-Michel Revest (Victor-Segalen-Universität, Bordeaux)
et al.: Nature Neuroscience, Online-Vorabveröffentlichung,
DOI: 10.1038/nn1441
Stress
04.10.2004 - Medizin
Warum Stress aggressiv macht und Aggressivität
stresst
Beide Phänomene sind durch einen
Feedback-Mechanismus miteinander gekoppelt
Ein biologischer Rückkopplungsmechanismus lässt
Menschen unter Stress aggressiver reagieren als sonst. Darauf
deuten die Ergebnisse eines ungarisch-niederländischen
Forscherteams hin, das einen solchen Zusammenhang bei Ratten
nachgewiesen hat. Bei den Tieren verstärken sich die Aktivität
eines Aggressionszentrums im Gehirn und die Ausschüttung
eines Stresshormons gegenseitig: Je aktiver das Hirnareal, desto
mehr Stresshormon befindet sich im Blut und umgekehrt. Menno
Kruk von Universität Leiden und seine Kollegen berichten
über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Behavioral
Neuroscience (Vol. 118, Nr. 5).
Die Forscher untersuchten in fünf Experimenten 53 Ratten.
Spritzten sie den Tieren das Stresshormon Corticosteron, das
mit dem menschlichen Stresshormon Cortisol verwandt ist, zeigten
die Ratten schon nach wenigen Minuten erhöhtes Angriffsverhalten.
Umgekehrt führte eine elektrische Stimulation eines Gebietes
im Hypothalamus, das unter anderem für das Verarbeiten
von Emotionen zuständig ist, sofort zu einer Ausschüttung
des Stresshormons, auch wenn kein äußerer Reiz
vorhanden war. Normalerweise zeigen Ratten eine solche Körperreaktion
nur dann, wenn sie einem potenziellen Gegner oder anderen
Stressfaktoren ausgesetzt sind.
Die Stresshormone haben normalerweise
die Aufgabe, die Energiereserven des Körpers zu mobilisieren
und ihn auf Flucht oder Kampf vorzubereiten. Nach den neuen
Ergebnissen scheinen sie aber auch mit dem Gehirn Rücksprache
zu halten, um in bestimmten Situationen die Kampfbereitschaft
zu erhöhen. Dabei reiche schon eine einzige Konfliktsituation
aus, um die Feedback-Schleife zwischen Stresshormon und Aggressionszentrum
in Gang zu setzen, schreiben die Forscher. Dieser Zusammenhang
erkläre auch, warum es so schwer ist, unter Stress nicht
auszurasten oder sich wieder zu beruhigen, wenn man einmal
in Rage geraten ist.
Stress
30.08.2005 - Hirnforschung
Warum Stress Asthma verstärkt
Warum Asthmatiker in Stresssituationen heftigere Anfälle
bekommen, haben jetzt amerikanische Wissenschaftler in einer
Studie herausgefunden. Die wichtigste Rolle spielen dabei zwei
Gehirnregionen, die während des Anfalles die Verarbeitung
von Emotionen mit Informationen über die Körperfunktionen
verbinden. So führte allein das Betrachten von Wörtern
wie "keuchen" bei Testpersonen während eines
Asthmaanfalls zu einer stärkeren Aktivierung dieser Gehirnregionen
und damit zu heftigeren Symptomen. Viele
chronische Erkrankungen wie Asthma, bei denen die Regulierung
von Entzündungsreaktionen gestört ist, sind häufig
durch Stress und Emotionen beeinflussbar. In ihrer Studie
konfrontierten die Wissenschaftler daher sechs an Asthma erkrankte
Probanden mit Pflanzen- oder Hausstaubmilbenextrakten, um
einen Asthmaanfall auszulösen. Dann wurden ihnen Wörter
aus drei verschiedenen Kategorien präsentiert, die mehr
oder weniger starke Emotionen wecken sollten: Neutrale Wörter
wie "Vorhänge", negativ bewertete Wörter
wie "Einsamkeit" und schließlich direkt mit
Asthma verbundene Begriffe wie "keuchen".
Die mit Asthma assoziierten Wörter lösten bei den
Probanden Stress aus und führten zu stärkeren Asthmasymptomen.
Das stellten die Forscher durch Untersuchung der Lungenfunktion
und des beim Husten abgegeben Sekrets, des Sputums, fest.
Die Messung der Gehirnaktivität ergab, dass dabei zwei
Gehirnregionen besonders aktiv waren: Der so genannten vordere
cinguläre Cortex (ACC) und die Insula.
Diese Regionen stellen die Verbindung zwischen der Steuerung
der entzündlichen Reaktionen und den Emotionen her, erklären
die Forscher. Sie sind an der Übermittelung von Informationen
über Körperfunktionen wie Atemnot oder Schmerz beteiligt
und eng mit Regionen verbunden, die emotionale Informationen
verarbeiten. Die Forscher vermuten, dass diese Regionen bei
Asthmatikern auf emotionale und körperliche Signale überreagieren
und so die heftigen Reaktionen verursachen. Auf der Grundlage
dieser Ergebnisse sollen nun neue Therapiemöglichkeiten
für Krankheiten, die durch Stress beeinflussbar sind,
entwickelt werden.
Melissa Rosenkranz (Universität von Wisconsin, Madison
) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung doi: 10.1073/pnas.0504365102
Stress
25.03.2004 - Gesundheit
Zu viel Stress? – Bluttest zeigt, ob
das nur eine Ausrede ist
Immunantwort soll Auskunft über den
Grad der Belastung geben
Ein Bluttest könnte in Zukunft zeigen, wie stark
ein Mensch unter Stress steht. Britische Zoologen haben eine
Methode entwickelt, mit der sie schnell und unkompliziert
die Immunantwort im Blut messen können. Je schwächer
dabei Abwehrzellen im Blut reagieren, desto stärker ist
der Stress. Die Wissenschaftler von der Universität Oxford
haben diesen Test nun zum Patent angemeldet, teilt die Abteilung
für Technologie-Transfer in Oxford, ISIS, mit.
Psychischer Stress führt zunächst
zu einer Beschleunigung von Herzschlag und Atmung, sowie zu
einer besseren Durchblutung der Muskulatur. In diesem Zustand
ist der Körper kurzfristig zu Höchstleistungen in
der Lage. Hält diese Stressreaktion jedoch über
längere Zeit an, kann sie zu Magengeschwüren oder
Herzerkrankungen führen. Die britischen Forscher um Linda
Naylor haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem bereits
frühzeitig das Ausmaß der Stressreaktion des Körpers
genau bestimmt werden kann.
Die Forscher untersuchen dazu die Immunreaktion des Körpers.
Einem Tropfen Blut wird eine Chemikalie zugesetzt, die eine
Bakterieninfektion simuliert. Die Reaktion der weißen
Blutkörperchen, zuständig für die Abwehr solcher
Infektionen, zeigt dann, wie stark eine Person unter Stress
steht: Je stärker der Stress ist, um so geringer fällt
die Reaktion der Abwehrzellen aus, teilen die Forscher mit.
Die britischen Wissenschaftler sehen den Anwendungsbereich
ihres Tests unter anderem in der Beurteilung der Stressbelastung
am Arbeitsplatz.
Stress
13. Mai 2016
Stress lässt nach: Vorgeburtliche Belastungen
können Schutz beim Baby fördern
Mütterlicher Stress und Depressivität
während der Schwangerschaft können möglicherweise
Schutzmechanismen beim Baby aktivieren. Dies lässt sich
aus bestimmten epigenetischen Veränderungen beim Neugeborenen
schliessen, wie Psychologen der Universität Basel mit
internationalen Kollegen im Fachmagazin «Social Cognitive
and Affective Neuroscience» berichten.
In ihrer Studie beobachteten die Forschenden, dass erhöhte
Konzentrationen mütterlicher Stresshormone, Belastungen
und depressive Symptome während der Schwangerschaft von
epigenetischen Veränderungen beim Kind begleitet waren.
Dadurch wird das Oxytocinrezeptor-Gen besser aktivierbar,
das eine wichtige Rolle bei sozialen Prozessen und der Anpassung
an Stress spielt. Der Mechanismus könnte darauf hinweisen,
dass die Babys in diesen Fällen besser mit Herausforderungen
und Belastungen fertig werden und mehr Resilienz entwickeln.
Schalter umprogrammiert
Ob ein Gen aktiviert werden kann oder nicht, hängt
unter anderem von Methylgruppen ab, die sich an die DNA anlagern
und wie Schalter funktionieren. Die Forschenden fanden, dass
Kinder von Müttern mit mehr Stress und depressiven Symptomen
bereits bei der Geburt eine reduzierte Methylierung des Oxytocinrezeptor-Gens
aufweisen. Dadurch wird das Gen besser aktivierbar, es können
also mehr Oxytocinrezeptoren produziert werden, an denen Oxytozin
seine Wirkung entfalten kann. Oxytocin beeinflusst nicht nur
das Verhalten zwischen Mutter und Kind während und nach
der Geburt, sondern auch allgemein soziale Interaktionen.
Für ihre Untersuchung begleiteten die Forschenden um
Prof. Gunther Meinlschmidt von der Fakultät für
Psychologie der Universität Basel 100 Mütter und
deren Babys während und nach der Schwangerschaft. Dabei
sammelten sie das Nabelschnurblut von 39 Neugeborenen; ebenso
bestimmten sie in Speichelproben die Konzentration des Stresshormons
Cortisol und werteten Fragebögen der Mütter zu belastenden
Ereignissen und psychischem Befinden aus. Da die Daten nur
bis zur Neugeborenenphase analysiert wurden, lässt sich
nicht sagen, welche langfristigen Folgen die epigenetische
Programmierung des Oxytocinrezeptors für die Kinder hat.
«Resilienzforschung erst am Anfang»
An der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten
Studie beteiligt waren Forschende von der Universität
Basel, Ruhr-Universität Bochum, Universität Exeter,
McGill University Montreal, Ludwig-Maximilians-Universität
München, Universität Trier, Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften und des Stresszentrums
Trier. Bereits bekannt ist, dass Belastungen der Mutter während
der Schwangerschaft das Risiko für psychische Störungen
und körperliche Erkrankungen beim Nachwuchs erhöhen.
Weniger Aufmerksamkeit hat die Wissenschaft bisher den möglichen
Schutzmechanismen des Kindes geschenkt.
«Die Resilienzforschung in diesem Bereich steht erst
am Anfang», erläutert Meinlschmidt. Die beobachteten
Zusammenhänge könnten erste Hinweise darauf geben,
dass Belastungen in der Schwangerschaft auch Schutzmechanismen
aktivieren können. «Nötig ist ein umfassenderes
Verständnis der psychobiologischen Prozesse, die es dem
Menschen erlauben, trotz Stress und Belastungen auch langfristig
und über Generationen hinweg gesund zu bleiben»,
so Meinlschmidt. Darauf aufbauend könne man versuchen,
Resilienzprozesse zu fördern, um der Entstehung psychischer
Störungen und körperlicher Erkrankungen vorzubeugen.
Originalbeitrag
Eva Unternaehrer, Margarete Bolten, Irina Nast, Simon Staehli,
Andrea H. Meyer, Emma Dempster, Dirk H. Hellhammer, Roselind
Lieb und Gunther Meinlschmidt
Maternal
adversities during pregnancy and cord blood oxytocin receptor
(OXTR) DNA methylation
Social Cognitive and Affective Neuroscience (2016), doi: 10.1093/scan/nsw051
Weitere Auskünfte
Prof. Gunther Meinlschmidt, Universität Basel, Fakultät
für Psychologie, Abteilung für Klinische Psychologie
und Epidemiologie,
Tel. +41 61 207 09 61, E-Mail: gunther.meinlschmidt@unibas.ch
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