Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Stillen
Stillen
01.09.2011 - Psychologie
Stark mit Baby an der Brust
Stillen macht Frauen zu furchtlosen Löwenmüttern
Vor den Muttertieren vieler Säugetierarten
muss man sich bekanntermaßen in Acht nehmen: Nicht nur
die sprichwörtliche Löwenmutter, sondern selbst
ein Mutterschaf verteidigt seinen Nachwuchs mit erhöhter
Aggressivität und Furchtlosigkeit. Das gilt besonders
während der Phase des Säugens. Forscher konnten
nun zeigen, dass ein ganz spezielles Säugetier dieses
Verhalten ebenfalls an den Tag legt: der Mensch. Sie haben
in Verhaltensstudien ein erhöhtes Aggressionspotenzial
bei stillenden Frauen nachgewiesen. Die Forscher führen
den Effekt auf ein niedrigeres Stress-Niveau der stillenden
Frauen zurück, das ihre Furcht dämpft. Die Blutdruckwerte
der Testteilnehmerinnen während der experimentellen Aggressions-Situationen
bestätigten diese Theorie: Sie waren bei den stillenden
Frauen deutlich niedriger als bei den Kontrollgruppen. Vermutlich
liegt also in der Ruhe die Kraft zur Aggressivität, sagen
Jennifer Hahn-Holbrook von der University of California und
ihre Kollegen. Sie sehen in dem Ergebnis einen weiteren Aspekt
für die Feststellung: „Stillen ist ein perfektes
Programm von Mutter Natur“.
Für die Studie rekrutierten die
Wissenschaftler drei Gruppen von Frauen: 18 stillende Mütter,
17 Mütter, die ihre Kinder mit Fläschchen fütterten,
und 20 kinderlose Frauen. Jede Teilnehmerin spielte im Rahmen
der Studie mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter Konkurrenz-Spiele.
Der Wissenschaftler zeigte dabei ein extra unhöfliches
und anstößiges Verhalten, um die Frauen wütend
zu machen. Nach Gewinn einer Spielrunde durfte der Sieger
jeweils auf einen Knopf drücken und dem Gegner einen
lauten Strafton aufs Gehör donnern – ein Akt der
Aggression. Länge und Lautstärke des Tones konnten
die Frauen dabei selber einstellen.
Die Forscher fanden heraus, dass besonders
die stillenden Mütter den bedauernswerten Mitarbeiter
sehr drastisch traktierten: Ihre Straftöne waren im Durchschnitt
doppelt so laut und hielten doppelt so lange an wie die der
beiden anderen Testgruppen. Als Anhaltspunkt für das
Stress-Niveau bei den Experimenten maßen die Forscher
den Blutdruck der Probandinnen. Ergebnis: Die durchschnittlichen
Werte lagen bei den stillenden Frauen etwa um zehn Prozent
niedriger als bei den Kontrollgruppen.
" Stillende Mütter beteiligen
sich vermutlich nicht verstärkt an Kneipenschlägereien,
aber wenn jemand sie oder ihr Kind bedroht, verteidigen sie
sich mit gesteigerter Aggressivität", interpretiert
Hahn-Holbrook die Ergebnisse. Damit reihe sich auch der Mensch
in die Verhaltensweise vieler Säugetierarten ein, die
als sogenannte Laktations-Aggression bekannt ist. "Stillen
hat bekanntermaßen viele Vorteile für die Gesundheit
und Immunität eines Babys, es bietet den Müttern
aber offenbar auch einen wichtigen Puffer gegen Stress, was
sie zu mutigen Beschützerinnen macht“, resümiert
die Psychologin.
Jennifer Hahn-Holbrook (University of
California) et al.: Psychological Science, doi:10.1177/0956797611420729
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