Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Mutters Stimme
Mutters Stimme
17.12.2010 - Biologie
Mutters Stimme ist besonders
Baby-Gehirne reagieren auf mütterliche
Stimmen anders als auf andere
Für ein Baby ist die Stimme seiner Mutter nicht
nur emotional etwas ganz Besonderes, sie scheint auch beim
Sprechenlernen eine Sonderrolle zu spielen: Schon kurz nach
der Geburt reagiert das Gehirn der Kleinen anders auf mütterliche
Laute als auf die Stimme einer fremden Frau, hat ein kanadisches
Forscherteam entdeckt. Während die unvertraute Stimme
lediglich Regionen im Gehirn aktiviert, die für die Stimmerkennung
zuständig sind, lässt das mütterliche Organ
auch das Sprachzentrum anspringen. Kurz danach lässt
sich zudem eine Reaktion des für die Bewegungssteuerung
zuständigen Teils des Gehirns auf die Stimme der Mutter
beobachten, nicht jedoch auf die einer Fremden. Dieses einzigartige
Aktivitätsmuster sei ein starkes Indiz dafür, dass
Kinder schneller und leichter sprechen lernen, wenn sie von
ihrer Mutter angeleitet werden, schreiben Maude Beauchemin
vom Universitätsklinik-Zentrum Sainte-Justine in Montréal.
Die Wissenschaftler registrierten für
ihre Untersuchung die Hirnströme von 16 schlafenden Neugeborenen,
an deren Köpfchen sie jeweils 128 Elektroden anbrachten.
Für den Test selbst sollten die Mutter sowie eine Krankenschwester,
die bereits während der Schwangerschaft Kontakt mit der
Mutter gehabt hatte, den Buchstaben "A" laut sagen
- und zwar so, wie er in "Allô", dem französischen
Wort für "Hallo", ausgesprochen wird. Die Forscher
wählten eine bereits bekannte Person als Kontrolle aus,
um einen Überraschungseffekt durch eine völlig unbekannte
Stimme bei den Säuglingen zu vermeiden.
Die Kinder, die nicht einmal 24 Stunden alt waren, reagierten
völlig unterschiedlich auf die beiden Laute, entdeckten
die Forscher. Hörten sie die Schwester, registrierte
das Gerät vor allem auf der rechten Seite des Kopfes
Aktivität - etwa in der Region, die als entscheidend
für das Erkennen verschiedener Stimmen gilt. Vernahmen
die Kleinen dagegen die Stimme ihrer Mutter, war es vor allem
die linke Hirnseite, die zu arbeiten begann. Diese Hälfte
des Gehirns gilt als essenziell für die Wahrnehmung,
die Produktion und auch das Verständnis von Sprache,
erläutern die Wissenschaftler. Etwas verzögert setzte
zudem eine Reaktion in der rechten Hirnhälfte ein, etwa
im Gebiet der motorischen Zentren, die für die Steuerung
von Bewegung zuständig sind.
Es sei frappierend, wie unterschiedlich die Reaktionen gewesen
seien, obwohl die Kinder schliefen, schreiben die Forscher.
Die Beobachtung stütze die bereits früher geäußerte
These, dass Neugeborene auch im Schlaf aktiv ihre Umwelt wahrnehmen
und sogar lernen. In diesem Zusammenhang sei die ausgeprägte
Reaktion auf die mütterliche Stimme besonders interessant,
weil sie nahelege, dass die Kleinen von ihrer Mutter zumindest
in Bezug auf die Sprache mehr lernen als von anderen Menschen.
Spannend finden die Wissenschaftler auch die verzögerte
Reaktion im motorischen Zentrum: Man habe bereits mehrfach
beobachtet, dass Neugeborene mit den Lippen unwillkürlich
Laute formen, die sie hören - selbst wenn sie nie gesehen
haben, wie Erwachsene den Mund beim Sprechen verändern.
Das wird häufig so interpretiert, dass die Sprachfähigkeit
zu einem gewissen Grad angeboren ist. Diese These werde durch
das Auftreten der Aktivität im Bewegungszentrum gestützt,
so die Forscher.
Maude Beauchemin (Universitätsklinik-Zentrum Sainte-Justine
in Montréal) et al.: Cerebral Cortex, doi: 10.1093/cercor/bhq242d
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