Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Gefühle
Gefühle
04.11.2011 - Biologie, Psychologie, Medizin
Gefühle unter Druck
Hoher Blutdruck erschwert das Erkennen
von Emotionen bei anderen
Wer unter hohem Blutdruck leidet, lebt offenbar
wie unter einer Glasglocke: Er nimmt Gefühle bei anderen
nur gedämpft wahr, haben US-Forscher jetzt in einer Studie
mit 106 Freiwilligen gezeigt. Egal, ob es sich um emotionale
Gesichtsausdrücke handelt oder um die Beschreibung einer
emotional aufgeladenen Situation – je höher der
Blutdruck, desto schlechter konnten die Probanden das vorherrschende
Gefühl erkennen und beschreiben. Was bei diesem Zusammenhang
allerdings Ursache und was Wirkung ist, können die Wissenschaftler
bisher nicht sagen. Es sei möglich, dass der erhöhte
Druck die Durchblutung im Gehirn verändert und damit
die Reaktion auf Gefühle beeinflusst. Ebenso denkbar
sei, dass beides, der höhere Blutdruck und die veränderte
Wahrnehmung, auf Veränderungen in einem übergeordneten
Regelkreis zurückgehen und somit nur zwei Symptome eines
anderen Problems sind. Auch der umgekehrte Fall sei nicht
auszuschließen, dass die gedämpften Emotionen Stress
erzeugen und damit den Blutdruck erst hochtreiben.
Menschen spüren im Allgemeinen nicht,
wie hoch ihr Blutdruck ist. Umso mehr überrascht es daher,
dass Wissenschaftler seit einiger Zeit eine unerwartet enge
Beziehung zwischen bestimmten Empfindungen und dem Blutdruck
vermuten. So scheint hoher Blutdruck beispielsweise mit einer
verringerten Schmerzempfindlichkeit einherzugehen, und auch
andere negative Emotionen wie etwa Stress sind reduziert.
Und nicht nur das: James McCubbin von der Clemson University,
der auch die aktuelle Studie leitete, und seine Kollegen konnten
bereits vor einigen Jahren nachweisen, dass Menschen mit höherem
Blutdruck auch insgesamt eigene Gefühle weniger intensiv
wahrnehmen, selbst wenn es sich um positive wie Freude oder
Überraschung handelt.
Die neuen Erkenntnisse erweitern das Konzept der "emotionalen
Dämpfung", wie die Forscher es nennen, jetzt noch
einmal. Das Team hatte dazu 106 Teilnehmer einer Langzeitstudie
zum Thema Gesundheit und Gesundheitsvorsorge rekrutiert, die
aus einem eher problematischen sozialen und ökonomischen
Umfeld stammten und im Schnitt 52 Jahre alt waren. Bei ihnen
maßen die Forscher während der Studie verschiedene
Körperfunktionen wie eben den Blutdruck oder die Herzfrequenz
und bestimmten zudem Merkmale wie den Body-Mass-Index, das
Alter und die geistige Leistungsfähigkeit. Alle Probanden
führten zwei Tests durch: einen mit kurzen Texten und
einen mit Fotos.
Im ersten sollten die Teilnehmer anhand eines Satzes wie
"Fest davon überzeugt, dass seine Spieler nichts
falsch gemacht haben, verlangt ein Trainer vom Schiedsrichter
eine Erklärung für den gegebenen Strafstoß"
beurteilen, welches von sieben Gefühlen die handelnde
Person empfindet: Freude, Angst, Ärger, Trauer, Überraschung,
Ekel oder ein neutrales Gefühl. Im zweiten Teil bekamen
sie dann 35 Fotos von Gesichtern gezeigt und sollten ebenfalls
angeben, welche der Emotionen zu sehen ist. Das Resultat:
Selbst wenn Einflussfaktoren wie das Alter oder das Körpergewicht
herausgerechnet waren, hingen Blutdruck und die Fähigkeit,
Gefühle zu erkennen, eindeutig zusammen. Je höher
die Werte, desto schlechter schnitten die Probanden bei den
Tests ab.
Erklärungen dafür gebe es eine ganze Reihe, die
sich zudem nicht unbedingt gegenseitig ausschließen,
erläutern die Forscher. Neben einem direkten Einfluss
auf das Gefühlszentrum im Gehirn durch eine veränderte
Durchblutung könnte die Dämpfung beispielsweise
ein Marker für eine körperliche Veränderung
sein, die auch der falschen Blutdruckregulation zugrunde liegt.
Umgekehrt sei es auch denkbar, dass die Unempfindlichkeit
gegenüber den Gefühlen anderer zu sozialem Stress
führt, etwa weil man die feinen Schwingungen in einem
Gespräch nicht bemerkt oder andere unabsichtlich vor
den Kopf stößt. Das wiederum könne den Blutdruck
hochtreiben und damit das Problem noch verschärfen. Wie
genau die Kopplung zustande kommt, sollen nun weitere Studien
klären.
James McCubbin (Clemson University) et al.: Psychosomatic
Medicine, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1097/
PSY.0b013e318235ed55
Gefühle
29.03.2011 - Hirnforschung
Wenn Gefühle weh tun
Kummer und körperlicher Schmerz haben
einen gemeinsamen Ursprung
Gefühlsverletzungen und körperlicher Schmerz
erzeugen ähnliche Empfindungen, weil sie in denselben
Hirnregionen verarbeitet werden. Das schließen US-Forscher
aus Hirnscans von Probanden mit Liebeskummer. Der Gedanke
an den emotionalen Misserfolg erzeugt demnach in denselben
Bereichen Hirnaktivität wie die Erfahrung physischer
Schmerzreize. Das erkläre, warum sich negative Gefühlserlebnisse
in den meisten Sprachen in entsprechenden Redewendungen widerspiegeln,
sagen die Forscher: Im Deutschen werden Gefühle beispielsweise
"verletzt". Bei manchen Menschen gehen emotionale
Verletzungen sogar in körperliche Schmerzen über.
Die aktuellen Ergebnisse geben den Wissenschaftlern zufolge
für die Ursache dieses Phänomens ebenfalls Hinweise.
Für die Studie untersuchten die
Forscher 40 Probanden, die in den letzten sechs Monaten vor
den Tests eine Liebeskummererfahrung gemacht hatten und bestätigten,
dass der Gedanke daran unangenehm sei. Jeder Teilnehmer wurde
mit dieser emotionalen Negativerfahrung konfrontiert und nahm
außerdem an körperlichen Schmerztests teil. Während
der Versuche erfassten die Wissenschaftler die Hirnaktivität
der Probanden mittels der sogenannten funktionalen Magnetresonanztomographie
(fMRT). Dieses bildgebende Verfahren kann aktive Hirnbereiche
sichtbar machen.
Für die Untersuchungen zum Liebeskummer betrachteten
die Teilnehmer ein Foto der betreffenden Person und riefen
sich damit die negativen Gefühle ins Gedächtnis.
Zum Vergleich betrachteten sie später ein Bild eines
Freundes, den sie mit positiven Erfahrungen verbanden. Für
die körperlichen Schmerztests erduldeten die Freiwilligen
experimentelle Hitzereize am Arm, die nach Aussagen der Forscher
schmerzlich, aber noch erträglich waren.
Der Vergleich der Aufnahmen durch das fMRT offenbarte den
Zusammenhang von emotionalem und körperlichem Schmerz
auf der Ebene der Hirnaktivität: Bei beiden Erfahrungen
zeigten der sogenannte sekundäre somatosensorische Cortex
sowie die dorsale posteriore Insula ähnliche Aktivität.
Vermutlich sei das auch bei anderen Formen des emotionalen
Schmerzes der Fall, beispielsweise bei der Trauer um Verstorbene,
vermuten die Forscher. "Unsere Ergebnisse geben somit
der Aussage, dass emotionale Verletzungen weh tun, eine neue
Dimension", resümiert Studienleiter Ethan Kross.
Ethan Kross (University of Michigan, Ann Arbor) et al: Proceedings
of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.110269310
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