Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Feinmotorik
Feinmotorik
14.01.2009 - Hirnforschung
Wo die Feinmotorik wohnt
Zusätzliches Bewegungszentrum ermöglicht
komplexe, flexible Steuerung menschlicher Muskeln
Menschen verdanken die hervorragende Feinmotorik
einer doppelten Steuerzentrale im Gehirn, haben zwei US-Forscher
entdeckt: Während die meisten Säugetiere lediglich
ein einziges Kontrollzentrum für Bewegungen besitzen,
verfügen Menschen, Menschenaffen und einige andere Primaten
über zwei – einen älteren Teil, der dem bei
anderen Tieren entspricht, und einen neueren, der für
die Steuerung komplexer, feiner Bewegungen von Händen,
Armen und Schultern zuständig ist. Dieser neue Teil ist
sehr viel direkter mit den Muskeln verbunden als der alte
und dadurch auch wesentlich leistungsfähiger, schreiben
die beiden Wissenschaftler.
Für die Steuerung von Bewegungen
ist der primäre Motorcortex des Gehirns zuständig,
ein Teil der Großhirnrinde im Stirnlappen. Die darin
beheimateten Nervenzellen besitzen lange Fortsätze, die
weit ins Rückenmark hineinreichen und dort Kontakte zu
anderen Nerven ausbilden. Einige dieser Zellen sind mit sogenannten
Schaltneuronen des Rückenmarks verbunden – Nervenzellen,
die wie eine Art Verlängerungskabel wirken und lediglich
eine Verbindung zu weiteren, in den Körper führenden
Nerven herstellen. Andere hingegen haben direkte Kontakte
zu den Nervenzellen, die die Muskelkontraktionen steuern.
Sie gelten wegen dieser direkteren Verschaltung als entscheidend
für die Steuerung komplexer Bewegungen.
Wie diese beiden Zelltypen im Bewegungszentrum
verteilt sind, haben Rathelot und Strick nun mit Hilfe eines
Tricks untersucht. Dazu injizierten sie Rhesus-Affen Tollwut-Viren
gezielt in einzelne Muskeln von Schultern, Armen und Händen.
Diese Erreger haben die einzigartige Fähigkeit, Nerven
entlangzuwandern und dabei auch Schaltstellen zu überwinden.
Die ersten Gehirnzellen, in denen die Viren auftauchen, sind
somit diejenigen, die am direktesten mit dem jeweiligen Muskel
verbunden sind. Überraschenderweise fanden sich nahezu
alle Nervenzellen mit direkten Verbindungen zu den Arm- und
Schultermuskeln in einem begrenzten Teil am rückwärtigen
Rand des Bewegungszentrums, zeigte die Auswertung.
Der primäre Motorcortex ist bei
den Tieren also zweigeteilt: Ein Teil steuert Bewegungen nur
indirekt über einen Schaltkreis im Rückenmark, während
der andere einen direkten Zugang zu den Muskeln der vorderen
Gliedmaßen hat. Eine ausschließlich indirekte
Steuerung finde man etwa Totenkopfäffchen, berichten
die Forscher: Sie können ihre Finger nicht unabhängig
voneinander bewegen und Gegenstände nur in einer relativ
ungezielten Wischbewegung aufnehmen. Kapuzineräffchen
hingegen besitzen beide Bewegungszentren und sind in der Lage,
mit fein koordinierten Griffen auch kleine Objekte aufzuheben.
Da diese direkte Steuerung ausschließlich
bei einigen wenigen Affen und, deutlich ausgeprägter,
bei Menschenaffen und Menschen auftrete, handele es sich wohl
um eine recht neue Erfindung der Evolution, glauben die Forscher.
Sie vermuten, dass sie und das damit einhergehende neue Bewegungszentrum
im Gehirn erst die Voraussetzungen für den Gebrauch von
Werkzeug und damit die Entwicklung der Kultur geschaffen hat.
Jean-Alban Rathelot und Peter Strick
(University of Pittsburgh): PNAS, Online-Vorabveröffentlichung,
DOI: 10.1073/pnas.0808362106
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