Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Epilepsie
Epilepsie
22.04.2010 - Biologie
Übererregung ohne Epilepsie möglich
Chloridkanäle leiten Informationen
zwischen Nervenzellen weiter
Chloridkanäle in Nervenzellen dienen tatsächlich
deren Erregbarkeit und damit der Kommunikation zwischen den
Zellen. Über die Kanäle können die Zellen somit
die Informationsweiterleitung theoretisch selbst regulieren.
Zu diesem Ergebnis sind deutsche Max-Planck-Forscher in ihren
Experimenten gekommen und haben damit eine lang gehegte Theorie
bestätigt. Eine zweite Vermutung hingegen widerlegten die
Wissenschaftler: Wie sie herausfanden, geht Epilepsie nicht
allein auf einen Mangel an bestimmten Chloridkanälen zurück.
In Versuchen mit Mäusen ohne diese Kanäle waren die
Nervenzellen der Tiere zwar deutlich leichter erregbar, epileptische
Anfälle blieben jedoch aus. Der Grund: Neben den für
die Informationsweiterleitung zuständigen Zellen gibt es
auch solche, die den Austausch zwischen benachbarten Zellen
hemmen. Da beide Systeme gleichermaßen von den Chloridkanälen
abhängig sind, bleiben sie auch bei einem Mangel im Gleichgewicht,
berichtet das Max-Planck-Institut für Neurobiologie in
Martinsried. Über Chloridkanäle können
negativ geladene Chloridionen von den Zellen in deren Umgebung
wandern und umgekehrt, die genaue Funktion dieses Mechanismus
war bislang jedoch unklar. Nach einer von vielen Wissenschaftlern
vertretenen Theorie steuern die Ionen die Erregbarkeit der
Zellen und sind damit entscheidend für die Informationsweiterleitung:
Je mehr Ionen sich in einer Zelle befinden, umso leichter
müsste diese demnach erregbar sein.
Das konnten die Forscher um Valentin Stein nun bestätigen.
Sie untersuchten Mäuse, denen aufgrund eines genetischen
Defekts eine Sorte von Chloridkanälen fehlte –
die sogenannten ClC-2-Kanäle, die für den Transport
der Ionen aus der Zelle hinaus zuständig sind. In den
Nervenzellen dieser Tiere fanden die Wissenschaftler nicht
nur tatsächlich deutlich mehr Chloridionen, die Zellen
waren auch wie vorhergesagt leichter erregbar.
Zur Verwunderung der Forscher konnten sie allerdings kein
vermehrtes Auftreten epileptischer Anfälle infolge der
Übererregbarkeit beobachten. Doch sie entdeckten eine
simple Lösung für diesen scheinbaren Widerspruch:
Die für die Reizweiterleitung zuständigen Nervenzellen
haben Gegenspieler, die sich hemmend auf die Erregbarkeit
ihrer Nachbarzellen auswirken und auf dieselbe Weise von den
Chloridkanälen beeinflusst werden. Das erklärt die
Beobachtungen der Wissenschaftler: "Das ganze System
wurde empfindlicher, doch in der Summe blieb die Balance zwischen
den Zellen bestehen", berichtet Valentin Stein.
Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie
in Martinsried
Valentin Stein (Max-Planck-Institut für Neurobiologie,
Martinsried) et al.: The Journal of Neuroscience, Bd. 30,
Nr. 13. S. 4776 - 4786, doi:10.1523/JNEUROSCI.6299-09.2010
Epilepsie
23.07.2004 - Medizin
Sensibelchen unter den Nervenzellen verursachen
Hirngewitter
Forscher: Epilepsie entsteht mit durch
fehlende Signaldämpfung bei überempfindlichen Neuronen
Überempfindliche Nervenzellen im Gehirn spielen
eine wichtige Rolle bei bestimmten Formen von Epilepsie. Darauf
deutet eine Studie eines internationalen Forscherteams an
Ratten hin. In den übersensiblen Zellen fehlen bestimmte
Eiweißmoleküle, die bei gesunden Tieren die Signalweiterleitung
dämpfen. Dadurch kommt es zu unkontrollierten elektrischen
Entladungen, die die typischen Krampfanfälle auslösen.
Das berichtet das Team um die Bonner Forscher Albert Becker
und Heinz Beck in der Fachzeitschrift Science (Bd. 305, S.
532).
Im gesunden Gehirn feuern die Nervenzellen ihre Impulse
scheinbar völlig unkoordiniert ab. Das ist bei Epileptikern
anders: In ihrem Gehirn entladen sich ganze Gruppen von Neuronen
gleichzeitig – mit der Konsequenz, dass der Betroffene
plötzliche Krampfanfälle und Bewusstseinstörungen
erleidet. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, diese
Massenentladungen würden von fehlerhaften Verschaltungen
zwischen den Nervenzellen verursacht.
Nach den Ergebnissen der Bonner Forscher und ihrer Kollegen
scheinen jedoch zusätzlich auch der Empfang und die Verarbeitung
der Signale in den Neuronen verändert zu sein: An den
verzweigten Enden von Nervenzellen aus den Gehirnen von epilepsiekranken
Ratten fehlen so genannte Ionenkanäle, durch die geladene
Kaliumteilchen in die Zellen hinein und aus ihnen hinaus gelangen
können. Diese Eiweißmoleküle dienen der Zelle
dazu, ankommende Signale zu dämpfen. Fehlen sie, werden
die Impulse ungefiltert und ungedämpft weitergegeben.
Für die verminderte Kanalaktivität fanden die Forscher
zwei Gründe: Auf der einen Seite wurden die Gene, die
die Information für die Eiweißmoleküle tragen,
bei den epileptischen Ratten weniger häufig abgelesen
als bei gesunden Vergleichstieren. Auf der anderen Seite spielte
ein bestimmtes Enzym eine Rolle, das die vorhandenen Kanalmoleküle
so veränderte, dass sie ihre normale Funktion nicht mehr
erfüllen konnten. Die Forscher hoffen nun, anhand ihrer
Entdeckung neue Therapien gegen die Epilepsie entwickeln zu
können. So könnte beispielsweise eine Hemmung des
Enzyms, das die Ionenkanäle verändert, ein möglicher
Ansatz sein.
Epilepsie
28.01.2003 - Medizin
Der erste epileptische Anfall bei Kindern:
Kein zwingender Grund für eine medikamentöse Behandlung
Ein einziger epileptischer Anfall bei Kindern ist noch
kein Grund für eine Behandlung mit Medikamenten. Das schreiben
amerikanische Neurologen in der Fachzeitschrift Neurology (Bd.
60, S. 166). (28. Januar). Untersuchungen legen nämlich
nahe, dass eine dauerhafte Behandlung mit Antiepileptika schädlicher
sein könnte als das erneute Auftreten epileptischer Anfälle.
Wie die Untersuchungen der Neurologen um Deborah
Hirtz vom Nationalen Institut für neurologische Störungen
in Bethesda (USA) zeigen, erleben 25.000 bis 40.000 Kinder
in den USA jedes Jahr erstmals einen epileptischen Anfall.
Bisher war es gängige Praxis, "spontane", also
nicht durch Kopfverletzungen oder andere bekannte Gründe
ausgelöste epileptische Anfälle routinemäßig
mit Medikamenten zu behandeln.
Von Epilepsie wird jedoch erst dann gesprochen, wenn zwei
oder mehr Anfälle aufgetreten sind. Dies sei nur bei
ein Prozent der amerikanischen Kinder der Fall, schreiben
Hirtz und ihre Kollegen. Die tägliche Einnahme von Antiepileptika
könne sich sowohl auf die Gesundheit als auch auf die
Entwicklung der Kinder negativ auswirken. Daher müssten
Vorteile und Risiken der Medikation in jedem einzelnen Fall
genau abgewogen werden, empfehlen die Neurologen in ihrer
neuen Richtlinie der Amerikanischen Akademie für Neurologie.
Für diese Entscheidung sei eine genaue neurologische
Untersuchung der Kinder erforderlich.
Für Europa sehen die Zahlen für Epilepsie bei Kindern
und Jugendlichen ähnlich aus: Zwar erleben fünf
Prozent der unter 20-Jährigen einen epileptischen Anfall,
aber nur bei ein Viertel davon hat tatsächlich eine Epilepsie.
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