Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Demenz und Trauma
Demenz und Trauma
26.07.2006 - Hirnforschung
Traumata mit Spätfolgen
Schlimme Erfahrungen der Vergangenheit
verursachen Gedächtnisstörungen im Alter
Eine traumatische Erfahrung in der Jugend kann zu
Gedächtnisstörungen im Alter führen, haben
amerikanische Forscher entdeckt. So setzt bei Überlebenden
des Holocaust die typische Altersvergesslichkeit etwa zehn
Jahre früher ein als bei Menschen, die keine vergleichbaren
Erlebnisse hatten. Das gilt sowohl für Überlebende,
die als Folge des Traumas heute noch unter einer posttraumatischen
Belastungsstörung leiden, als auch für Betroffene,
die eine solche Störung bereits in der Vergangenheit
überwunden haben. Unklar ist bislang allerdings, ob ein
erhöhter Stresshormonspiegel oder ein anderer Mechanismus
für diese Langzeitfolge verantwortlich ist.
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) entsteht
als Folge eines oder auch mehrerer bedrohlicher Erlebnisse
wie dem plötzlichen Verlust einer Bezugsperson, einer
Misshandlung oder auch der Diagnose einer schweren Krankheit.
Obwohl es einige typische Symptome gibt, darunter Alpträume
oder das ständige spontane Nacherleben der traumatischen
Situation, äußert sich die Störung bei jedem
Betroffenen anders. Sehr häufig sind jedoch Störungen
des Kurzzeitgedächtnisses aufgrund von Konzentrationsproblemen,
die es dem Betroffenen praktisch unmöglich machen, sich
etwa beim Einkaufen an eine Reihe von benötigten Dingen
zu erinnern.
Möglicherweise hat eine PTSD jedoch zusätzlich
noch langfristige Auswirkungen auf das Gedächtnis, legen
nun die Ergebnisse von Rachel Yehuda und ihrem Team vom Mount-Sinai-Krankenhaus
in New York nahe. Die Forscher hatten in ihrer Studie die
Gedächtnisleistung von drei Gruppen von Freiwilligen
verglichen: Überlebende des Holocaust mit bestehender
PTSD, Überlebende mit überwundender PTSD und eine
Kontrollgruppe, die keine traumatische Vergangenheit hatte.
Bereits im Alter von 67 zeigten sich bei allen Holocaustüberlebenden
Gedächtniseinschränkungen, die sich mit der Zeit
weiter steigerten, zeigte die Auswertung. Im Alter von 72
erreichten die Probanden in Erinnerungstests schließlich
Werte, wie sie sonst typisch für über Achtzigjährige
sind.
Eine PTSD in der Vergangenheit scheint demnach Folgen in
der Zukunft zu haben – ähnlich wie ein Sonnenbrand
in der Jugend, der später zu Hautkrebs führt, interpretiert
Studienleiterin Yehuda die Ergebnisse. Wie diese Spätfolgen
ausgelöst werden, kann sie noch nicht sagen. Dass die
Gedächtnisstörungen bei den Holocaustüberlebenden
eine andere Ursache als die PTSD haben könnten, wie beispielsweise
eine extreme Mangelernährung, hält sie jedoch für
unwahrscheinlich: In einem solchen Fall müssten alle
möglichen kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt
sein, argumentiert sie. In der Studiengruppe war jedoch hauptsächlich
die Fähigkeit betroffen, sich Assoziationen zu merken
– und für die ist der Hippocampus verantwortlich,
eine Hirnregion, von der bereits bekannt ist, dass sie bei
PTSD-Patienten ungewöhnlich klein ist.
Nature, Online-Dienst
|