Notizen aus der
Wissenschaft:
Stichwort:
Angst
Angst
12.05.2003 - Hirnforschung
Schnelle und langsame Wege führen zu den
Alarmglocken im Kopf
In brenzligen Situationen verzichtet das
Gehirn auf den Verstand
Bei Nacht und Nebel trifft niemand gerne auf dunkle
Gestalten. Neurobiologen haben dafür einen möglichen
Grund entdeckt: In unklaren Situationen werden die Schreckreaktionen
des Gehirns am Verstand vorbei aktiviert. Zwar besitzt der Mensch
auch ein Alarmsystem, das den Weg über die höheren
Funktionen des Nervensystems nimmt, aber in brenzligen Lagen
verzichtet das Gehirn lieber auf den langen Draht, berichten
Schweizer Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature Neuroscience"
(Online-Vorabveröffentlichung vom 11. Mai).
Hirnforscher um Patrik Vuilleumier von der Universität
Genf zeigten Versuchspersonen Bilder mit verschwommenen und
klar dargestellten Gesichtern und beobachteten dabei mit einem
Tomographen die Gehirnaktivität der Probanden. Ein Teil
der auf den Bildern Dargestellten schaute mit einem bedrohlichen
Ausdruck auf ihren Betrachter. Erstaunlicherweise reagierten
die Alarmregionen im Gehirn der Versuchspersonen auf die unscharfen
Gesichter sehr viel schneller, berichten die Forscher. Deutliche
Bilder würden dagegen wohl erst eingehend analysiert,
bevor im Gehirn die Alarmglocken läuten.
Zu den wichtigsten Schreckregionen im Gehirn, die auch Vuilleumier
und seine Kollegen in Augenschein genommen haben, gehört
der tief hinter den Schläfen gelegene Mandelkern. Er
besitzt einen direkte Verbindung zu den Augen, die er in gefährlichen
oder unklaren Situation – etwa bei Nacht und Nebel –
offenbar auch nutzt. Frühere Untersuchungen haben bereites
gezeigt, dass der Mandelkern beim Anblick von Schlangen oder
Spinnen mit Panik reagieren kann, bevor das Großhirn
die Situation durchschaut.
Angst
14.02.2011 - Hirnforschung
Von Forschern, die auszogen, über die
Furcht zu lernen
Studie hilft, Drahtzieher der Angst im
Gehirn zu identifizieren
Neurologen haben entdeckt, warum einige Menschen
sich vor allem fürchten und andere selbst in Horrorsituationen
ruhig bleiben: Im Gehirn konkurriert ein Schaltkreis für
Angst und Flucht mit einem zur Furchtunterdrückung. Je
nachdem, welche der beiden Funktionen bei einem Menschen die
Oberhand hat, entsteht ein ängstlicher oder aber ein
furchtloser Charakter. Das schließen die Wissenschaftler
aus Hirnscans von Probanden, die während simulierten
Angstsituationen entstanden. Diese Erkenntnisse könnten
den Weg zu neuen Therapiemöglichkeiten bei Angststörungen
ebnen, schreibt das internationale Forscherteam.
Unter Angststörungen leiden Millionen von Menschen
weltweit. Allein in den USA sind den Forschern zufolge etwa
25 Millionen Menschen von Panikattacken, sozialen Phobien,
Zwangsstörungen und Angstzuständen im Rahmen von
posttraumatischen Störungen betroffen. Während diese
Menschen häufig bereits bei kleinen Problemen übermäßig
starke Ängste entwickeln, ist anderen Angst völlig
fremd: Sie bleiben auch im Angesicht von Katastrophen ruhig
oder zeigen sogar Leichtsinn in Situationen, in denen Angst
normalerweise eine wichtige Schutzfunktion übernimmt.
Welche Hirnfunktionen hinter diesen beiden gegensätzlichen
Verhaltensweisen stecken, wollten die Forscher mit ihrer Studie
genauer herausfinden.
Sonia Bishop und ihr Team nutzten dazu die sogenannte funktionelle
Magnetresonanztomographie, um die Aktivität in bestimmten
Hirnbereichen von 23 Probanden zu erfassen. Zusätzlich
gaben Messungen über den Hautwiderstand Informationen
darüber, wie stark die jeweilige Angstreaktion ausgeprägt
war. Während der Hirnscans beobachteten die Testteilnehmer
an einem Bildschirm eine virtuelle Figur, mit der sie sich
identifizierten. Manchmal hielt sich die Figur die Ohren zu,
bevor in zufälligen Abständen ein angsteinflößender
Schrei ertönte. In anderen Situationen war der scheußliche
Angstschrei dagegen plötzlich zu hören, ohne dass
die Figur am Bildschirm durch ihre Reaktion vor dem unangenehmen
Ereignis warnte. Dadurch befanden sich die Probenden den Forschern
zufolge in einer Spannungssituation.
Probanden, die bei den Hirnscans eine starke Aktivität
in der sogenannten Amygdala zeigten, entwickelten bei den
Versuchen besonders starke Angstreaktionen. Die Amygdala,
auch Mandelkern genannt, ist bereits für ihre Bedeutung
bei der Entwicklung von Furcht bekannt: Sie gilt als Sitz
von Kampf- und Flucht-Reflexen, erklären die Forscher.
Eine weitere Besonderheit im Zusammenhang mit erhöhter
Angst war eine ungewöhnlich geringe Aktivität im
ventralen präfrontalen Cortex. Diese Hirnregion ist dafür
zuständig, Ängste und Sorgen zu bewerten und zu
überwinden. Bei Testteilnehmern, bei denen dieses Areal
besonders stark reagierte, stellten die Wissenschaftler folglich
auch geringere Angstreaktionen fest.
"Offenbar sind bestimmte Menschen in der Lage, den ventralen
präfrontalen Cortex, des Gehirns zu nutzen, um ihre Angst
zu regulieren", sagt Bishop. "Mit Hilfe dieser Erkenntnis
könnten zukünftig Therapien entwickelt werden, die
Personen helfen, die von Natur aus nicht ausreichend in der
Lage sind, dies zu tun", glaubt sie.
Sonia Bishop (University of California in Berkeley) et al:
Neuron, Bd. 69, S. 563
Angst
10.07.2008 - Hirnforschung
Wo die Angst an- und abgeschaltet wird
Zwei Regelkreise im Gehirn bestimmen die
Reaktion auf furchteinflößende Ereignisse
Wie der Körper auf furchteinflößende Ereignisse
reagiert, hängt vom Zusammenspiel zweier Zonen im Gehirn
ab. Einer dieser Schaltkreise ist für das Lernen von
Angstreaktionen zuständig, während der andere diese
Reaktion wieder löscht. Von der Balance der beiden neuronalen
Areale in der Mandelkern genannten Region des Gehirns hängt
die Angstempfindung ab, wie Schweizer Forscher um Andreas
Lüthi vom Friedrich-Miescher-Institut für Biomedizinische
Forschung in Basel bei Versuchen mit Mäusen herausgefunden
haben. Anhand der Ergebnisse ist ersichtlich, wo im Gehirn
Angstzustände hervorgerufen und weiterverarbeitet werden.
Mit diesem Wissen könnte die Therapie von Patienten mit
Angstzuständen verbessert werden.
Die Forscher pflanzten in das Gehirn von Mäusen Elektroden
ein, um die elektrische Aktivität verschiedener Gehirnbereiche
im Mandelkern auf Angstreize zu vermessen. Der Mandelkern
spielt eine wesentliche Rolle bei der Gefahrenanalyse und
beim Hervorrufen von Angst. Die Forscher konditionierten die
Mäuse auf ein Angstverhalten, indem sie nach einem akustischen
Tonsignal die Pfoten mit einem leichten Elektroschock reizten.
Wenn die Mäuse nach dem Ton für mindestens zwei
Sekunden in eine Art Schockstarre fielen, werteten die Forscher
dies als Angstreaktion. Mit der Angstreaktion zeigte auch
ein Gehirnareal mit rund 43 Neuronen ein deutliches Signal.
In einem weiteren Versuchsteil verzichteten die Forscher
auf den Elektroschock: Nach 24 Tonstimulationen konnten sie
die Angstreaktion der Mäuse eliminieren. Dabei übernahm
dann ein anderes Gehirnareal mit etwa 35 Neuronen das Kommando
und tilgten das Angstgedächtnis. Sieben Tage später
konnten die Forscher durch erneute Ton-Elektroschockreize
das Gedächtnis wieder reaktivieren. Sie schließen
daraus, dass es zwei Schaltkreise im Mandelkern des Gehirns
gibt: Einer lernt, äußere sensorische Ereignisse
mit Angstreaktionen zu verknüpfen. Der andere löscht
die Angst wieder aus.
Von der Balance zwischen Angstneuronen und Löschneuronen
hängt es ab, wie Mäuse und vermutlich auch Menschen
auf Angst hervorrufende Reize reagieren. Wenn diese Balance
von außen Richtung "Löschen" verschoben
werden könnte, hätten Mediziner vielleicht ein probates
Mittel, um Patienten mit Angststörungen zu helfen, hoffen
die Forscher.
Andreas Lüthi (Friedrich-Miescher-Institut für
Biomedizinische Forschung in Basel) et al.: Nature, Online-Vorabveröffentlichung,
DOI: 10.1038/nature07166
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